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Welcome speech by Mr. Peter Rühe, GandhiServe Foundation

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

 

ich freue mich, daß wir auch in diesem Jahr Gandhis Geburtstag gemeinsam mit der Indischen Botschaft und in der Indischen Botschaft mit einem interessanten Programm begehen können. Bevor ich darauf näher zu sprechen komme, möchte ich Ihnen kurz einen Einblick geben in die Arbeit der GandhiServe Stiftung und in Aktivitäten der letzten Monate rund um Gandhi weltweit.

 

Im April jährte sich Gandhis legendärer Salzmarsch zum 75. Mal. Es wurden daher in vielen Ländern Gedenkmärsche organisiert mit insgesamt mehreren tausend Teilnehmern. Dieser eher symbolischen Aktion standen zahlreiche praxisorientierte Projekte gegenüber, wie z.B. Tsunami-Hilfskampagnen, and denen indische Gandhi-Organisationen und auch die GandhiServe Stiftung teilnahmen.

 

Im März haben wir begonnen Videointerviews mit Teilnehmern der indischen Unabhängigkeitsbewegung in Mumbai durchzuführen, die in Ton und Bild auf unserer Website gandhiserve.org abrufbar sind. Dort befinden sich mittlerweile auch 50 Stunden von Gandhis Ansprachen, ein 5-stündiger Dokumentarfilm, die gesamte 100-bändige Serie der gesammelten Werke Gandhis und eine Liste von 35.000 Briefen incl. Inhaltsangabe. Das ist nahezu Gandhis gesamte Korrespondenz. Außerdem befinden sich über 2000, z.T. sehr seltene Fotos auf der Website und im Webstore können Bücher, Fotoabzüge, CDs, Ölbilder, Statuen und vieles mehr bestellt werden. In diesem Jahr hat sich wirklich wieder eine Menge getan zum Thema Gandhi: ein südindischer Zauberer ist mit seinem Gandhi-Programm weltweit auf Tour; zum 70. Geburtstag des Dalai Lama wurde in seinem indischen Exil in Dharamsala eine Gandhi-Ausstellung gezeigt und kürzlich wurde das Theaterstück SAMMY! über Gandhis Leben und Wirken sehr erfolgreich in Mumbai uraufgeführt. Wenn alles klappt, wird dieses Stück im kommenden Jahr auch in Deutschland zu sehen sein. Unser internationales Jugendprojekt Die Gandhi-Brücke der Verständigung wurde mit weiteren Malwettbewerben in Indien sowie Ausstellungen der Bilder in Deutschland fortgesetzt. Der Schauspieler Ben Kingsley hat zur Befriedung der Region in Israel/Palästina ein Gandhi-Projekt ins Leben gerufen und ein Künstler aus Südindien hat im Juni mit einer 4 m hohen Sandskulptur den ersten Preis des Wettbewerbs Sandsations in Berlin gewonnen. Die von uns mitentwickelte Ausstellung Frieden schaffen ohne Gewalt - Gandhi, King, Ikeda wurde im Mai in Münster gezeigt und es wurden zahlreiche Film- und Fernsehdokumentationen über Gandhi produziert. Allein in Indien sind 5 Produktionen in Arbeit die Gandhi zum Hauptthema haben. Die BBC-Dokumentation The Worlds Most Photographed - Mahatma Gandhi wurde am 31. August in England ausgestrahlt und mit einer Sondergenehmigung der BBC dürfen wir diese Dokumentation, an dessen Realisierung ich mitgewirkt habe, am Dienstag hier präsentieren. Interessant zu erwähnen ist noch, daß im Frühjahr ein Gandhi-Zentrum in Singapur eröffnet wurde und ein weiteres in Atlanta/Georgia in den USA geplant ist. In Neu-Delhi findet heute ein großes Gandhi-Festival statt, mit internationalen Stars aus Sport, Kunst und Unterhaltung; u.a. wird der ehemalige Boxweltmeister Evander Holyfield erwartet. Es ist also offensichtlich, daß Gandhi und seine Ideen nach wie vor weltweit präsent sind. Und was soll man dazu sagen? Mit den Worten unseres Regierenden Bürgermeisters: Das ist auch gut so.

 

Bevor ich zu unseren heutigen Gästen komme, möchte ich ein paar Worte über die Fotos verlieren, die im Foyer zu sehen sind. Vielleicht haben Sie sich gewundert, daß einige Bilder unscharf sind oder andere fototechnische Mängel aufweisen. Wie der Titel der kleinen Ausstellung andeutet, habe ich die Negative tatsächlich in einer großen Kiste mit tausenden anderen Negativen gefunden, die vernichtet werden sollten, weil der Fotograf sich nicht vorstellen konnte, daß jemand Interesse an diesen Fotos haben könnte. Wahrscheinlich ging es gegen seine Berufsehre und war ihm sogar peinlich anderen diese fototechnisch unzulänglichen Aufnahmen von Gandhi zu zeigen. Und ich muß zugeben, daß ich diese Negative fast 20 Jahre bei mir zu liegen hatte ohne sie zu nutzen. Erst als ich mir kürzlich Vergrößerungen anfertigen ließ, stellte ich fest, daß diese Aufnahmen zwar nur wenig dokumentarische Aussage haben - im Vergleich zu den hunderten technisch brillianten Aufnahmen von Gandhi - aber über einen nahezu künstlerischen Wert verfügen. Und so fand ich es nur angemessen, diese Aufnahmen bei dieser Gelegenheit einmal auszustellen.

 

Mit unseren heutigen Gästen, Yogesh Goda und seiner Frau Saroj, verbindet mich eine über 20-jährige Freundschaft und schon deshalb ist die heutige Veranstaltung etwas ganz besonderes für mich und wird es hoffentlich auch für Sie werden. Als ich 1985 das erste Mal nach Rajkot kam, lebte Yogeshbhais Großvater Prabhudas Gandhi noch. 1901 geboren war er damals 84 Jahre jung und erzählte mir voller Begeisterung aus seinem Leben, vor allem der Zeit, die er mit seinem Großonkel, dem Mahatma, von 1906 bis 1914 in Süd-Afrika und später dann in Indien verbrachte. Von Gandhi wurde er stets behandelt wie einer von dessen Söhnen, die im gleichen Alter waren wie Jung-Prabhudas und gemeinsam mit ihm in der Phoenix-Siedlung bei Durban in Süd-Afrika aufwuchsen. Prabhudas nannte Gandhi stets Bapu - Vater - und es gab kaum ein Familienmitglied, daß eine solche Nähe zu Gandhi entwickelte wie Prabhudasbhai, was ich an zwei Beispielen verdeutlichen möchte: Als Gandhi in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts begann Experimente in Naturheilkunde durchzuführen, weigerten sich alle seine Mitarbeiter und Verwandten bei Krankheit und Unpäßlichkeit Schlammpackungen und Wasseranwendungen über sich ergehen zu lassen. Lediglich der junge Prabhudas stellte sich freiwillig zur Verfügung und half damit Gandhi ein Gesundheitskonzept zu entwickeln, was später in dem Buch Key to Health zusammengefaßt wurde, welches - man höre und staune - Gandhis meistverkauftes Buch ist! Ein weiterer Beleg wie wichtig Prabudasbhai seinem Großonkel war, ist die Tatsache, daß Gandhi ihm einen Ehepartner aussuchte und, gemeinsam mit seiner Frau Kasturba, bei der Hochzeit die Rolle von Prabhudas' Eltern übernahm, damit diese aus Ersparnisgründen nicht die Reise von Rajkot in Gujarat zum Sevagram Ashram nahe Wardha im jetzigen Maharashtra antreten brauchten. Aber ich will Yogeshs Vortrag nicht vorgreifen. Ich hatte also von 1985 bis zu Prabhudasbhais Tod im Jahre 1995 zahlreiche Begegungen mit ihm und schätze ihn als meinen gandhischen Lehrer, und trotz des erheblichen Altersunterschieds war er auch ein guter Freund. Wir haben gemeinsam zahlreiche Bahnreisen quer durch Indien unternommen, wo wir Freunde von Prabhudasbhai und gandhische Projekte besucht haben. Ich habe dabei von diesem wandelnden Gandhi-Lexikon mehr erfahren, als ich in 100 Büchern hätte nachlesen können. Aber was noch beeindruckender war, war ihm nur zuzuschauen, bei der täglichen Yogapraxis, beim Gehen, beim täglichen Spinnen, beim Schreiben, Zeitung lesen und - vor allem - in der Interaktion mit anderen Menschen. Das hat mir nicht nur geholfen Gandhi besser zu verstehen, sondern es hat mir auch gezeigt, daß es möglich ist, ein ganzheitlich gewaltfreies Leben zu führen und in guten wie in schlechten Tagen Werte wie Liebe, Wahrheit und Gewaltfreiheit im persönlichen Bereich dominieren zu lassen.

 

Ich freue mich deshalb sehr, daß Prabhudasbhais Enkel Yogesh und seine Frau Saroj auf Einladung des Museums Haus am Checkpoint Charlie für ein paar Tage in Berlin sind und Sie heute abend Gelegenheit haben, aus dem aussergewöhnlichen Leben von Prabhudas Gandhi mehr zu erfahren. Nach Yogeshs Vortrag wird eine 11-minütige Video-Homage an seinen Großvater gezeigt, sodaß Sie auch einen visuellen Eindruck von ihm erhalten. Ich wünsche Ihnen nun einen interessanten Abend und gute Unterhaltung.