Events > 2004 > Welcome by Peter Rühe

Ein Zwischenbericht über die Arbeit und Kontakte der GandhiServe Stiftung

 

Ansprache von Peter Rühe, Gründer und Vorsitzender der GandhiServe Stiftung, anlässlich des 135. Geburtstages von Mahatma Gandhi am 2. Oktober 2004 im Tagore-Zentrum, Berlin.

 

Alljährlich am 2. Oktober erinnert man sich weltweit an Mahatma Gandhi und stets steht die Frage im Hintergrund "Welche Bedeutung haben Gandhi's Lehre von Liebe, Wahrheit und Gewaltfreiheit für uns heute?", wo wir doch in so einer anderen Zeit und in einem anderen gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Kontext leben als Gandhi vor vielen Jahren in Südafrika und Indien.

 

Im Folgenden werde ich Ihnen einen Einblick geben in die Arbeit und Kontakte der GandhiServe Stiftung aus diesem Jahr und der Frage nachgehen, ob der Geist Gandhis mit der Ermordung seines Körpers am 30. Januar 1948 ausgelöscht wurde, oder ob er auch heute noch lebendig ist und einen Beitrag für eine humanere Mitwelt leistet.

 

Im letzten Jahr hatten wir ja am 2. Oktober Gandhis Enkelin Ela zu Gast und im Roten Rathaus wurde in Zusammenarbeit mit der Soka Gakkai International und dem Martin-Luther-King-Zentrum die Ausstellung "Frieden schaffen ohne Gewalt - Gandhi, King, Ikeda" gezeigt. Diese Ausstellung wurde Anfang diesen Jahres in Zwickau präsentiert und wird im kommenden Jahr im Rathaus von Münster zu sehen sein. Weitere Versionen dieser Ausstellung wurden im vergangenen und laufenden Jahr in Jordanien, Neuseeland und Südafrika präsentiert, nachdem sie vorher schon in den USA, Italien und Indien zu sehen war. Da eine Ausstellung ein gutes Medium ist um ein breites Publikum zu erreichen, gab es auch umfangreiche Gandhi-Ausstellungen - eine weitere - in Neuseeland und aktuell in Spanien, die dort von einer Organisation aus Barcelona mit dem Namen "Gandhiji Cultura" veranstaltet wird, die sich sehr engagiert bemüht eine gandhische Kultur in Spanien aufzubauen. Ebenfalls in Barcelona fand im August der internationale Kongress "Parlament der Weltreligionen" statt, wo Gandhis Ideen u.a. durch seine Enkelin Ela aus Südafrika repräsentiert wurden. In ihrem Heimatland hat es vor Kurzem den Besuch des indischen Präsidenten Abdul Kalam gegeben, anläßlich des 100. Jahrestags der von Gandhi gegründeten Phoenix-Siedlung. Dabei hat der indische Präsident das Versprechen gegeben, den Erhalt bzw. Wiederaufbau der gandhischen Stätten in Südafrika erheblich finanziell zu unterstützen. Ein interessantes Projekt wurde in Indien und Südafrika unter dem Namen "Afrikhadi" ins Leben gerufen, wo mit indischem Knowhow in Südafrika handgesponnenes und handgewebtes Tuch hergestellt wird. Die farbenfrohe Kleidung wird bislang auschliesslich in Südafrika angeboten aber auch Modehäuser, wie das von Wolfgang Joop gegründete Unternehmen "Wunderkind", haben schon Interesse an Afrikhadi gezeigt, denn dieses Projekt zeigt eindrucksvoll, dass es möglich ist eine Arbeitsbeschaffungsmassnahme nach Gandhis Ideen zu verknüpfen mit dem Geschmack und den Bedürfnissen der heutigen Zeit. In den USA nimmt z.B. die Zahle derer erheblich zu, die ihre Kleidung selbst spinnen und weben. Es gibt dort mehrere Farmen, wo man das Baumwoll- und Schafwollspinnen lernen kann. Die Wirtschaftskrise führt dazu, dass das Interesse an Gandhis Konzept der Selbstversorgung zunimmt. Zum vierten Mal hat in diesem Jahr in den USA die "Season for Nonviolence" stattgefunden, wo in zahlreichen Städten Veranstaltungen durchgeführt wurden, die an Mahatma Gandhi und Martin Luther King jr. erinnerten, immer mit Bezug auf die heutige Zeit. Der Mitinitiator der Season for Nonviolence, Gandhis Enkel Arun Gandhi, war sogar kürzlich in Palästina und Israel und hat dort mit Yaseer Arafat und führenden Vertretern der israelischen Regierung Möglichkeiten diskutiert den dortigen Konflikt gewaltfrei zu lösen.

 

Ich finde es sehr inspirierend, dass auf dem Gelände des ehemaligen World Trade Centers in New York u.a. auch eine Daueraustellung über das Leben und Wirken von Mahatma Gandhi entstehen soll und das bei einem neuen, sehr grosszügig geplanten, Friedensmuseum in Kanada Gandhi im Zentrum stehen wird.

 

Von den heute weltweit stattfindenden Gedenkveranstaltungen möchte ich eine besonders erwähnen: die Sängerin Patti Smith gibt heute ein Konzert in New York in Gedenken an Gandhi, auf dem sie auch ihren kürzlich erschienen, 9-minütigen Song "Gandhi" präsentieren wird. Dieser Song sowie 37 weitere Lieder über Gandhi aus der ganzen Welt können auf der englischsprachigen website der GandhiServe Stiftung - gandhiserve.org - angehört werden. Gegenwärtig sind wir dabei unser gesamtes Audio- und Videoarchiv zu digitalisieren. In den kommenden Monaten stehen dann sukzessive mehrere hundert Stunden Audio- und Videoclips über Gandhi zum Anhören und Anschauen zur Verfügung. Die Anzahl der websites über Gandhi nimmt beinahe täglich zu und durch ihre teilweise sehr gute Qualität tragen sie erheblich dazu bei, Informationen und Materialien über Gandhi weltweit zugänglich zu machen, natürlich nur für all die, die einen Internetzugang haben.

 

Es hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Tagungen und Buchveröffentlichungen über Gandhi gegeben. Es wurden Büsten und Statuen von Gandhi in der ganzen Welt aufgestellt und Strassen, Plätze und Einrichtungen nach ihm benannt. Die nicht zuletzt dadurch inspirierten praktischen Umsetzungen von Gandhis Ideen beinhalten die Aktivitäten der Nonviolent Peace Force, die sich intensiv in Sri Lanka um die Schaffung eines anhaltenden Friedens ohne Gewalteinsatz bemüht. Aber auch die Aktivitäten der Chipko-Bewegung und die Arbeit von Medha Patkar und Arundhati Roy gegen den Narmada-Staudamm in Gujarat und Madhya Pradesh sind zu erwähnen, ebenso wie die Absicht des indischen Ministers for Human Resource Development, Arjun Singh, das indische Schul- und Bildungssystem zu reformieren gemäss den Vorstellungen von Mahatma Gandhi. Es gibt aber auch negative Beispiele aus der indischen Politik: so hat der Transportminister in Bihar sich eine Privatarmee zusammengestellt unter Bezugnahme auf Gandhi, der sich seinerzeit dafür aussprach, dass die indischen Dörfer zur Verteidigung ihre eigenen Kampftruppen haben sollten; allerdings hat der Minister offensichtlich übersehen, dass diese Shanti Sena-Kampftruppen strikt gewaltfrei agieren sollten…

 

Seit ein paar Wochen ziert Gandhis Konterfei auch den letzten der indischen Geldscheine und in einem internen Rechtstreit innerhalb der Industriellenfamilie Birla, der sich über Monate hinzog, hat eine von Gandhi 1933 als Zeuge gegebene Unterschrift zu einer Entscheidung in dem Streit geführt.

 

Eine weitere, gute Nachricht kommt aus Indien: das erfolgreiche, wenn auch kontrovers diskutierte Theaterstück "Mahatma vs. Gandhi" von Feroz Khan kommt im nächsten Jahr weltweit in die Kinos unter dem Titel "Gandhi My Father" und wird mit Sicherheit eine Ergänzung der bisherigen Spielfilme "Gandhi" - von Richard Attenborough - und "The Making of the Mahatma" von Shyam Benegal darstellen. Ein Kurzfilm über Gandhi wurde von einem jungen Filmemacher aus Rajkot in Gujarat erstellt, der kürzlich beim Melbourne-Filmfestival und beim Clermont Ferrand Kurzfilmfestival in Frankreich gezeigt wurde. Ebenfalls im August fand in Ahmedabad ein 6-tägiges Gandhi-Festival statt mit Lesung, Gedichten, Musik und Schauspiel. Dieser Katha wurde von Narayan Desai, dem Sohn von Gandhis Sekretär Mahadev Desai, organisiert und auch weitestgehend präsentiert. Zurück zu Film und Fernsehen: Die BBC stellt in diesen Tagen eine 30-minütige Dokumentation fertig zum Thema "Gandhi" in ihrer Serie "The Worlds Most Photographed", die ebenso wie der Film von Feroz Khan im Frühjahr 2005 zu sehen sein wird. Parallel dazu wird es eine umfangreiche Ausstellung mit alten Originalfotos von Gandhi geben in der National Portrait Gallery in London. Vielleicht wird auch das eine oder andere Foto von Henry Cartier-Bresson dabeisein, der als Pionier des Fotojournalismus galt und der im August d.J. gestorben ist. Trotz seiner zahlreichen Aufnahmen von Kriegsschauplätzen und historischen Ereignissen wird Cartier-Bresson vor allem für die Fotos in Erinnerung bleiben, die die letzten Tage von Gandhis Leben so eindrucksvoll dokumentieren. Zum Schluss möchte ich noch auf einen gerade fertiggestellten Werbeclip der Telekom Italia hinweisen, der den Kommunikator Gandhi zum Thema hat. Man kann sicher über das eine Event oder die andere Nachricht schmunzeln und auch geteilter Meinung sein, wie z.B. über die Nutzung von Gandhi in der Werbung aber eins ist sicher: die Beschäftigung mit dem Leben und Wirken Gandhis und den Werten, die er verkörperte geht weiter und sie ist - wenn man die Vielzahl der Aktivitäten weltweit betrachtet - vermutlich umfangreicher und intensiver als jemals zuvor!